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Februar 2018: Gefiederte Neubürger in den Leinepoldern

Die Liste der Vogelarten, die sich in den Leinepoldern beobachten lassen, ist lang. Auf ihr finden sich neben heimischen Brutvogelarten auch etliche Überwinterer aus dem hohen Norden. Von ganz weit her stammen die gefiederten Neubürger, die ebenfalls in dem Gebiet leben. Es war der Mensch, der sie überhaupt erst nach Europa gebracht hat.

Exotische Vögel zu halten, galt früher als "schick" und vor allem Adelige oder Reiche waren einst die Hauptabnehmer der Händler, die Vögel aus anderen Erdteilen importierten. Heute erfreut sich die Vogelhaltung in der breiten Bevölkerung großer Beliebtheit, und angefangen vom Wellensittich bis hin zu seltenem Ziergeflügel reicht die Palette der Arten.

Etlichen Vögeln ist es in der Vergangenheit gelungen, ins Freie zu entkommen. Aktuell ist davon auszugehen, dass Individuen aus mehr als 160 gebietsfremden Vogelarten in unserer heimischen Natur anzutreffen sind. Jedoch konnten sich längst nicht alle von ihnen fest etablieren, das haben bisher nur 15 Arten geschafft, darunter viele Wasservogelarten. Und von diesen auch als Neozoen bezeichneten Tieren lassen sich in den Leinepoldern mehrere teils recht regelmäßig beobachten.

Bunte "Afrikanerin"

Vom afrikanischen Kontinent stammt die Nilgans, die keineswegs nur entlang des Flusses, nach dem sie benannt wurde, vorkommt. Diese Vögel sind 63 cm bis 73 cm groß und ihre Gefiederfärbung wirkt recht bunt. In unterschiedlichen Braun- und Rottönen sowie schwarz und weiß sind die Federn gefärbt. Charakteristisch sind die rotbraunen Flecken rund um die Augen sowie ein ebenso gefärbter Fleck auf der Brust der Tiere. Wenn Nilgänse fliegen, fallen ihre kontrastreichen, schwarz-weiß gefärbten Flügel auf. Einige ihrer schwarzen Federn an den Schwingen zeigen einen grünlich-metallischen Glanz, der meist jedoch nur aus der Nähe wahrnehmbar ist. Beide Geschlechter sehen gleich aus, die Männchen sind meist ein klein wenig größer als die Weibchen.

Bereits im 18. Jahrhundert wurden die ersten Nilgänse in Europa als Ziergeflügel gehalten. In Großbritannien konnten sich entflogene Vögel in der Natur behaupten. Dasselbe geschah in den 1970er Jahren in den Niederlanden, und von dort aus breiteten sich die Nilgänse nach Deutschland aus. Dies geschah anfangs hauptsächlich entlang des Rheins, doch bald war diese Vogelart auch an anderen Flüssen sowie an Seen zu finden. Besonders stark ist die Nilgans in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vertreten, sie gilt in beiden Bundesländern als Brutvogel.

"Zwar sehen Nilgänse durchaus recht hübsch aus, doch sie sind keineswegs schüchtern", erklärt Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. "Während der Brutzeit zeigen sie gegenüber anderen Wasservögeln in ihrem Revier oft ein sehr aggressives Verhalten." Man mag nun meinen, dass hierbei vor allem um die Nahrung gestritten wird, dem ist aber nicht so: Je mehr Vögel auf einem Gewässer leben, desto aggressiver verhalten sich die Nilgänse meist. "Es ist in Deutschland schon mehrfach beobachtet worden, dass Nilgänse die Küken von Stockenten getötet haben", so Spieker.

Hinzu kommt, dass Nilgänse manchmal die Nester anderer Vögel besetzen. Nicht einmal so große Tiere wie Weißstörche oder Wanderfalken sind vor Nilgänsen sicher, wenn diese einen Nistplatz erobern wollen. In den Leinepoldern und der Umgebung sind derlei Zwischenfälle bislang noch nicht dokumentiert, wohl aber das sehr selbstbewusste Auftreten dieser Gänse gegenüber anderen Wasservögeln. Im Frühling lässt es sich in dem Gebiet leicht beobachten, sofern sich dort Nilgänse aufhalten.

Amerikanisches Federvieh

Nordamerika ist die Heimat der Kanadagans. Gebrütet wird in hohen nördlichen Breiten Kanadas und Alaskas, in den nördlichen USA kommen die Tiere ganzjährig vor und in den mittleren sowie südlichen Landesteilen überwintern sie. Etwa 90 cm bis 100 cm sind Kanadagänse groß und ihr Gefieder ist schwarz, weiß sowie braun gefärbt. Sie sind sehr leicht an ihrem schwarzen Kopf mit dem weißen Kinnband zu erkennen.

Es gibt Belege dafür, dass Kanadagänse schon im Jahr 1785 in Europa als Ziervögel gehalten wurden. Etwa ab der Mitte des 20. Jahrhunderts breiteten sich diese Vögel auf unserem Kontinent aus. Als Durchzügler und Wintergäste wurden 1950 die ersten Kanadagänse in Norddeutschland beobachtet und in den folgenden Jahrzehnten etablierte sich diese Vogelart hierzulande sehr erfolgreich. Bruten sind seit den 1970er Jahren bekannt.

"In den Leinepoldern zwischen Einbeck und Northeim sind Kanadagänse bisher nur gelegentlich anzutreffen", erläutert Thomas Spieker. "Da sie aber in anderen Teilen Deutschlands in den vergangenen Jahren in relativ kurzer Zeit große Bestände bilden konnten, ist es wahrscheinlich, dass diese Vögel künftig auch im südlichen Niedersachsen häufiger werden." Für die örtlichen Naturschützer wäre es hilfreich zu wissen, ob und wann Kanadagänse sowie andere Tierarten in den Leinepoldern beobachtet wurden. „Man kann auf naturgucker.de ganz einfach seine Sichtungen melden und dem Naturschutz so Daten zur Verfügung stellen“, bittet Spieker. Alternativ steht auch die kostenlose Naturerlebnis-Leinepolder-App zur Verfügung, mit der Beobachtungen draußen sogar dann erfasst werden können, wenn gerade keine Internetverbindung besteht.

Gerade während der Brutsaison können Kanadagänse auf Störungen recht aggressiv reagieren. Es ist schon zu Verletzungen bei Mensch und Tier gekommen, wenn sich jemand den Küken der große Gänse zu sehr genähert hat. "Läuft ein Hund auf die jungen Gänse zu, kann es geschehen, dass die Altvögel mit ihren Flügeln zuschlagen, und das mit großer Kraft. Dabei können Hunde im ungünstigsten Fall Knochenbrüche erleiden", warnt der Naturkenner Spieker. "In dem Naturschutzgebiet ist es aber ohnehin nicht gestattet, seine Vierbeiner frei laufen zu lassen oder selbst die Wege zu verlassen." Das Wege- und Leinengebot soll die Wildtiere vor Störungen schützen.

Asiatische Wasservögel

Neben Vogelarten aus Amerika und Afrika zeigen sich gelegentlich Vögel in den Leinepoldern, deren Vorfahren aus Asien stammen sollen: die Rostgänse. In einigen Teilen Nordafrikas, zum Beispiel in Marokko, kommen diese Tiere ebenfalls natürlich vor. Die überwiegend rostbraun gefärbten Vögel sind 58 cm bis 70 cm groß und leben in ihrem Verbreitungsgebiet an Gewässern in Steppen und Halbwüsten.

Zwar sollen in der Vergangenheit hin und wieder einige dieser Vögel aus eigener Kraft nach Europa geflogen sein. Doch es ist davon auszugehen, dass die heute hierzulande lebenden Individuen vor allem auf Gefangenschaftsflüchtlinge zurückgehen oder solche sind. Aktuell gibt es jedoch deutschlandweit nur wenige Bruten. In den Leinepoldern wurden in der Vergangenheit immer mal wieder Rostgänse gesichtet. So hielt sich beispielsweise ein Individuum zwischen den Enten und Gänsen an der Geschiebesperre auf.

Einige Jahre her sind die Beobachtungen von Streifengänsen in diesem Gebiet. Dokumentiert sind Sichtungen dieser Vogelart aus den Jahren 2000, 2008 und 2009. Die Streifengans ist 70 cm bis 75 cm groß und lebt in Zentralasien. Ihr Gefieder ist graubraun gefärbt, an Hals und Kopf sind die Federn weiß. Unverwechselbar sind diese Vögel wegen ihrer beiden schwarzen Streifen am Hinterkopf, die bei der Namensgebung Pate standen.

An der Geschiebesperre und auf der Northeimer Seenplatte wurden in den vergangenen Jahren zudem hin und wieder Mandarinenten gesehen. "Männliche Mandarinenten sind kontrastreich schwarz, weiß, grau und kastanienbraun gefärbt, wenn sie ihr Prachtkleid tragen", beschreibt Spieker diese ursprünglich aus Nordostchina und dem Amurgebiet stammende Vogelart. Die Weibchen sehen deutlich unauffälliger aus – ein Phänomen, das man von unseren heimischen Entenarten kennt. Zwischen 41 cm und 51 cm sind diese Enten groß, damit sind sie die kleinsten unter den fünf Wasservogel-Neubürgern in diesem Gebiet.