Zum Hauptinhalt springen

Februar 2016: „Gans“ schön viel los - Gänseparadies Leinepolder

Zu den beeindruckendsten Anblicken in der Natur gehören Massenansammlungen von Tieren. Um dieses Phänomen live zu erleben, muss man sich aber nicht unbedingt in die ferne afrikanische Serengeti begeben, um beispielsweise die Wanderung der Gnus zu erleben. Bei uns in Deutschland gibt es vor allem in Winter mancherorts ebenfalls erstaunlich große Tieransammlungen – zum Beispiel in den Leinepoldern zwischen Einbeck und Northeim. In dieser Gegend halten sich dann tausende Wildgänse auf, die sich von den Deichen und Beobachtungstürmen beobachten lassen.

In ihrer typischen V-Formation am Himmel ziehende Wildgänse rufen im Spätwinter und Herbst bei vielen Menschen starke Gefühle hervor. Entweder ist es die Vorfreude auf den nahenden Frühling oder Wehmut, weil ein schöner Sommer zu Ende geht. Diesen verbringen viele wilde Gänse im hohen Norden, wo sie ihren Nachwuchs großziehen und von wo aus sie mit den flügge gewordenen Jungvögeln dann im Herbst in wärmere südliche Gefilde ziehen. Wärmer ist dabei relativ. Für viele Wildgänse sind die deutschen Winter angenehm, denn in ihren Brutregionen herrschen zeitgleich oft zweistellige Minusgrade. Das heißt, anders als viele kleine Singvogelarten oder zum Beispiel Weißstörche fliegen Wildgänse nicht unbedingt bis nach Afrika, um dort zu überwintern. Sie finden sich stattdessen in geeigneten Gebieten in Mitteleuropa ein. Ein solcher Anziehungspunkt für die gefiederten Überwinterer ist das Leinetal zwischen Einbeck und Northeim.

Gans ist nicht gleich Gans

Wirft man durch ein Fernglas oder ein Spektiv (ein Beobachtungsfernrohr) einen genauen Blick auf die vielen Vögel in den Leinepoldern, dann fällt auf, dass sie keineswegs alle gleich aussehen. Es sind verschiedene Gänsearten, die sich in der Region einfinden. Besonders häufig vertreten sind Graugänse, die eigentlich gar nicht grau, sondern graubraun gefärbt sind. Nicht alle Graugänse in den Leinepoldern sind Wintergäste, manche von ihnen leben dauerhaft in dem Schutzgebiet. Sie erhalten jedoch gewissermaßen "Verstärkung" von etlichen Artgenossen, die im Herbst aus nördlicheren Gegenden anreisen.

Typische Überwinterer unter den großen Wasservögeln sind die Tundra-Saatgänse. Bei flüchtiger Betrachtung sehen sie den Graugänsen durchaus ähnlich, weil sie ebenfalls überwiegend graubraun gefärbt sind. Doch der braune Schnabel, der zudem eine orange gefärbte Binde hat, unterscheidet sie von ihren Verwandten. Vom nördlichen Skandinavien bis nach Sibirien erstreckt sich das Brutgebiet der Tundra-Saatgänse. In diesem großen Areal liegen auch die Nistplätze der Blässgänse, einer weiteren in den Leinepoldern anzutreffenden Art. An ihrer auffälligen weißen Umrandung des Schnabels, der Stirnblässe, lassen sie sich erkennen. Sie sind den Grau- und Tundra-Saatgänsen zahlenmäßig jedoch weit unterlegen.

Auffällig bunt sind die Nilgänse, die sich beispielsweise an der Geschiebesperre oft blicken lassen – übrigens nicht nur im Winter. Wie es der Name bereits vermuten lässt, stammen sie ursprünglich nicht von hier, sondern aus Afrika. Sie sind als Ziergeflügel nach Europa gekommen. Einige dieser Tiere sind entflogen und konnten sich in der freien Natur etablieren, weshalb man heute in vielen Teilen Deutschlands Nilgänse als Brutvögel beobachten kann. Ähnlich verhält es sich mit den Kanadagänsen, deren Ursprung im nördlichen Nordamerika liegt. In den Leinepoldern treten sie derzeit noch recht selten in Erscheinung. An ihrem schwarzen Hals und dem weißen Gesichtsfleck sind sie gut zu erkennen. Sie können allerdings mit der Nonnengans verwechselt werden. Diese ist ein weiterer nordischer Wintergast, der aber zu den Seltenheiten in den Leinepoldern gehört; ebenso wie die Kurzschnabelgans, die Ringelgans und die Rothalsgans.

Schreckhafte Zeitgenossen

Gänse gehören zu den sogenannten Fluchttieren, die bei Gefahr sofort fliehen. Es gibt etliche andere Tiere, bei denen Gänse auf dem Speisezettel stehen, entsprechend scheu verhalten sich die Vögel. In einer großen Überwinterungsgruppe gibt es viele wachsame Gänseaugen. Entdeckt ein Tier eine potenzielle Gefahr, warnt es mit scharfen Rufen oder fliegt sofort auf. Die umstehenden Gänse tun es diesem Vogel gleich und binnen Sekunden erhebt sich nicht selten der gesamte große Gänseschwarm – übrigens artübergreifend. Dann kreisen die Vögel eine Weile und landen unter lautem Geschnatter wieder, allerdings nicht unbedingt dort, wo sie vorher aufgeflogen sind.

Für uns Menschen mag es ein faszinierender Anblick sein, einen Gänseschwarm auffliegen und am Himmel kreisen zu sehen. Doch für die Vögel ist es purer Stress, der sich negativ auf ihre Gesundheit auswirkt. Das Auffliegen kostet viel Kraft und es wird Körperfett verbrannt, das in kalten Winternächten eigentlich dafür gebraucht wird, die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Zudem müssen sich die Gänse im Winter einen Fettvorrat anfressen, der sie dazu in de Lage versetzt, sich im Spätwinter auf die oft tausende Kilometer lange Flugreise in ihre Brutgebiete zu begeben. So mancher Vogel bleibt dabei auf der Strecke, weil er zu wenige Fettreserven hat. "Es ist deshalb ungemein wichtig, die rastenden Gänse in den Leinepoldern nicht zu stören. Beobachten ja, aber dabei sollte stets ein Sicherheitsabstand gewahrt werden", betont Thomas Spieker von Naturscouts Leinetal e.V.

Leider seien immer wieder Störungen der Tiere durch den Menschen zu verzeichnen, zum Beispiel durch im Naturschutzgebiet freilaufende Hunde. "Für die Vierbeiner mag es ein Spaß sein, ihrem Jagdtrieb nachgehen zu dürfen, doch für die Gänse geht es ums nackte Überleben. Wiederholtes Auffliegen kann für sie zur lebensbedrohlichen Gefahr werden", erklärt der Naturscout, der wie seine Vereinskolleginnen und -kollegen oft Führungen in den Leinepoldern anbietet, siehe www.naturscouts-leinetal.de. Ein weiteres Problem zeigt Spieker auf: Es kommt hinzu, dass die in den Leinepoldern überwinternden Vögel durch häufige Störungen eventuell verstärkt in umliegende Gebiete abwandern und dort landwirtschaftliche Flächen schädigen, was durchaus keine Seltenheit ist, wie sich in anderen Teilen des Landes in der Vergangenheit gezeigt hat.

Gänseschar mit großem Appetit

In den weitläufigen Überwinterungsgebieten nordischer Gänse im Bereich der Nordseeküste geschieht es zuweilen, dass die Vögel nicht nur auf ansonsten ungenutzten Flächen rasten und fressen. Fallen hunderte oder gar tausende Gänse über einen Acker her, kann das für einen Landwirt zum Problem werden. Einen ähnlichen Fall gab es vor einiger Zeit auf landwirtschaftlich genutzten Flächen in der Nähe einiger Kiesteiche bei Sarstedt. Auf diesen Gewässern hatten sich Gänse angesiedelt und die Tiere waren zur Nahrungssuche auf Äcker geflogen, auf denen sie massenhaft junge Rüben aus der Erde gezogen hatten. Die Pflanzen waren schon so weit gewachsen, dass eine neue Aussaat nicht mehr möglich war. Für die betroffenen Landwirte war die Situation ausgesprochen schwierig, solche Fälle können existenzbedrohend sein. In einigen Teilen Deutschlands, in denen besonders viele Gänse überwintern, gibt es deshalb Ausgleichszahlungen für die von Fraßschäden betroffenen Landwirte.

Im Umfeld der Leinepolder sind solche Zwischenfälle in großem Maßstab bislang glücklicherweise ausgeblieben. Je weniger die Gänse in dem Naturschutzgebiet von Menschen gestört werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Vögel dort bleiben und ihre Nahrung nicht auf entfernteren landwirtschaftlichen Flächen suchen – ein Grund mehr, sich den faszinierenden gefiederten Wintergästen gegenüber rücksichtsvoll zu verhalten.

 

 

 

 


 

 

 

Pressekontakt:


Gaby Schulemann-Maier
Mobil: +49 (0) 151 44506467
eMail: presse (at) naturerlebnis-leinepolder.de