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Juni 2016: Adebar an der Leine – Weißstörche brüten rund um die Leinepolder

Eine der größten Vogelarten Deutschlands gehört zu den Brutvögeln rund um die Leinepolder zwischen Einbeck und Northeim: der Weißstorch. In dem Schutzgebiet finden diese Schreitvögel viel Nahrung und in Sachen "Wohnungsbau" wurden sie in den vergangenen Jahren kräftig von engagierten Menschen unterstützt. Deshalb sind die Adebars der Region treu geblieben und können jetzt im Sommer in der Gegend beobachtet werden.

Fische, Frösche und Regenwürmer sowie Insekten lieben feuchte Lebensräume, wie sie in den Leinepoldern zu finden sind. Die Würmer benötigen weiche Böden, die Fische bewohnen in diesem Abschnitt des Flusses relativ ruhige Bereiche, die für die Fortpflanzung wichtig sind, und für die Frösche werden kleine Gewässer in dem Schutzgebiet bereits im Frühling zur Kinderstube. Kleinsäuger wie Mäuse kommen in der Gegend ebenfalls in großer Zahl vor, für sie ist der Tisch mit zahlreichen Wildpflanzen reich gedeckt. Von dieser grünen Fülle profitieren außerdem unzählige Insekten, darunter verschiedene Grashüpfer-Arten. Und dann sind da noch die vielen Kleinvögel, die in der Gegend leben - in Sachen Naturerlebnis ist das Schutzgebiet für uns Menschen ein echtes Paradies.

Weißstörche sehen das Ganze viel pragmatischer. Für sie sind die Leinepolder ein ausgesprochen attraktiver Lebensraum, der für Alt- und Jungvögel genügend Nahrung zu bieten hat. Doch wie viel frisst ein Weißstorch eigentlich pro Tag? Damit ein solcher 2,5 bis 4,5 kg schwerer und bis zu 1 m großer Vogel satt wird, braucht er täglich 500 bis 700 g Nahrung, das entspricht zum Beispiel 15 bis 16 Fröschen oder circa 500 bis 700 Regenwürmern. Haben die Weißstörche Nachwuchs zu versorgen, müssen sie für diesen ebenfalls eine stattliche Menge an Futtertieren herbeischaffen. Der Nahrungsbedarf einer durchschnittlichen Weißstorchenfamilie beträgt täglich etwa 4,6 kg.

Weil es in der Vergangenheit in der Region gelegentlich zu Schwierigkeiten bei der Brut gekommen ist, haben einige besorgte Menschen angenommen, die Weißstörche würden zu wenig Futter finden. Dem ist jedoch nicht so. Ist es im Frühling für einige Zeit sehr trocken und wird der Boden hart, gelangen die großen Schreitvögel zwar nicht mehr so leicht an Regenwürmer, die sie während der Jungenaufzucht in riesigen Mengen verfüttern. Doch zum Glück gibt es in den Leinepoldern oft noch feuchte Bereiche und die Vögel finden außerdem auf dem Golfplatz in Einbeck immer Nahrung. Weil der Boden dort gewässert wird, ist er sogar in Trockenperioden weich und voller Regenwürmer. Dass mitunter junge Weißstörche in den Nestern hungern, liegt oftmals also eher daran, dass die Altvögel zu unerfahren sind.

Die meisten der in der Region brütenden Weißstörche – es gibt momentan acht besetzte Nester – ziehen ihren Nachwuchs erfolgreich auf, und das nicht zuletzt wegen „sozialer Wohnungsbaumaßnahmen“ eigens für diese Vögel.

Schwindende Brutmöglichkeiten

In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ging die Zahl der Weißstörche in der Region zusehends zurück, weil die Vögel kaum mehr geeignete Nistplätze fanden - übrigens ein deutschlandweiter Trend, der nicht zuletzt auf den Abriss vieler alter Gebäude zurückzuführen war. "Weißstörche bauen ihre Nester unter anderem auf Felsvorsprüngen oder in hohen, ausreichend stabilen und abgebrochenen Bäumen. Weil sie Beides in vielen Regionen nicht finden, haben sie von Menschen errichtete Bauwerke als Basis für ihre großen Nester zu nutzen gelernt", erläutert Thomas Spieker von Naturscouts Leinetal e.V. die Nistplatzvorlieben. "Hohe Türme sind aus Sicht der Weißstörche häufig perfekte Orte für ihre Kinderstuben. Denn anders als ihre engen Verwandten, die scheuen und in Wäldern lebenden Schwarzstörche, tolerieren Weißstörche die Nähe der Menschen - zumindest bis zu einem gewissen Grad."

Eine solide Grundlage ist für Nester der Weißstörche besonders wichtig. Sie werden Jahr für Jahr vom selben Paar erneut bezogen - oder zumindest von einem der beiden Vögel mit einem neuen Partner, falls der vorherige Gefährte während des langen Zuges ins afrikanische Winterquartier oder auf der Rückreise zu Tode gekommen ist. Kehren die Weißstörche im Frühling zurück, bessern sie die Nester zunächst aus. Über die Jahre können die Horste deshalb einen Durchmesser von bis zu 2 m und eine Höhe von 4 m erreichen und sehr schwer werden. Beispielsweise erlangte ein altes Weißstorchennest aus Salzderhelden innerhalb von 15 Jahren ein Gewicht von circa 800 kg. Für so ein großes "Kinderzimmer" muss man als Weißstorch erst einmal den geeigneten Platz finden!

Nisthilfen als Unterstützung

Einst haben Weißstörche die Gebäude und Schornsteine der alten Saline in Sülbeck für sich genutzt. Nach dem Abriss dieser Bauwerke waren die guten Nistplätze für die Vögel verloren. Ähnliches geschah mit dem Schornstein der Alten Meierei in Drüber, der Mitte der 1990er Jahre weichen musste. Obwohl in den Leinepoldern ein reich gedeckter Tisch auf die schwarzweißen Vögel gewartet hätte, fanden sie kaum mehr Plätze, an denen sie brüten konnten. Mit künstlichen Nisthilfen wollte man sie zum Bleiben bewegen.

Beim Errichten und Pflegen solcher Horste achtet beispielsweise der Storchenexperte Bernd-Jürgen Schulz darauf, diese Hilfestellung mit Sinn und Verstand durchzuführen. Das ist dringend erforderlich, denn ein unüberlegtes Ansiedeln von Weißstörchen kann für andere Tierarten anderenfalls zum Problem werden. Beim Artenschutz ist es grundsätzlich wichtig, das große Ganze eines Ökosystems im Blick zu behalten und sich nicht nur auf eine Art zu konzentrieren.

Die künstlich eingerichteten Brutplätze der Weißstörche sollten so weit auseinander liegen, dass die einzelnen Paare sich bei der Nahrungssuche nicht in die Quere kommen müssen oder bestimmte Gebiete “überjagen” werden. Ferner gilt es, die Bestandssituationen anderer Arten zu bedenken. Siedelt man Weißstörche etwa in einem Gebiet neu an, in dem eine seltene Froschart in kleiner Zahl vorkommt, wären diese Amphibien durch den großen Appetit der Schreitvögel in Gefahr. Zudem stehen Jungvögel anderer Spezies auf dem Speisezettel der Weißstörche. Gerade in Bezug auf die teils sehr selten gewordenen und streng geschützter Bodenbrüter unter den heimischen Vogelarten ist somit Vorsicht geboten.

Ist alles gut durchdacht und sind Horste für die Weißstörche aufgestellt worden, heißt das aber noch lange nicht, dass die großen Vögel die Nisthilfen sogleich annehmen. „Als der Polder 1 gebaut wurde, errichtete man im Jahr 1987 auch eine Nisthilfe für Weißstörche“, erklärt Storchenbetreuer Schulz. Aber es dauerte bis 2002, bis ein Paar diesen Platz besetzte und die ersten Bruterfolge stellten sich noch später ein. Storchenschützer brauchen mitunter viel Geduld.

Ein weiterer Punkt ist bei der Ansiedlung von Weißstörchen von Belang: bauliche Sicherheitsaspekte. Errichten die Vögel ihre Nester an Stellen, die einsturzgefährdet sind oder die zu klein sind, könnten die Jungtiere oder gar das ganze Nest abstürzen. Für die Jungvögel ist ein solcher Absturz meist tödlich. Würde ein Mensch von einem aus großer Höhe fallenden Jungstorch getroffen, wären Verletzungen wahrscheinlich. Nisthilfen müssen deshalb stabil genug sein und idealerweise an Stellen stehen, in deren unmittelbarer Nähe sich nicht ständig Menschen aufhalten.

Aus allen genannten Gründen versuchen Experten die Weißstörche in der Region um die Leinepolder auf naturverträgliche und sichere Weise anzusiedeln sowie durch Horstpflegemaßnahmen zu unterstützen. Die Früchte dieser jahrelangen Bemühungen lassen sich auch in diesem Sommer wieder beobachten, wenn in den Leinepoldern Weißstörche in ihrer typischen Manier umher schreiten und nach Nahrung suchen.

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

Pressekontakt:

Gaby Schulemann-Maier
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