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Juli/August 2019: Scheuer Bewohner der Leinepolder: das Tüpfelsumpfhuhn

Für zahlreiche Tierarten sind die Leinepolder zwischen Einbeck und Northeim ein zu ihren Bedürfnissen passender Lebensraum. Doch nicht alle tierischen Bewohner fallen Beobachtern gleich auf. Zu diesen "verborgenen Schätzen" gehört auch ein seltener Wasservogel mit getupftem Gefieder.

An flachen Uferzonen von Gewässern oder auf schlammigem Boden wandelt das Tüpfelsumpfhuhn am liebsten. In diesem feuchten Lebensraum findet es seine bevorzugte Nahrung: auf und im Schlamm lebende Insekten, deren Larven und kleine Wassertiere. Außerdem schmecken ihm Würmer und zarte Pflanzenteile werden ebenfalls nicht verschmäht.

Weil sich das Tüpfelsumpfhuhn bei der Nahrungssuche meist sehr ruhig verhält und nicht besonders bunt ist, wird es leicht übersehen. Das ist ihm ganz recht, denn es ist relativ scheu und flüchtet meist recht schnell in die Vegetation an Gewässerufern, wenn ihm eine Situation nicht geheuer ist. Und das ist auch gut so, denn jedes Individuum ist wichtig – das Tüpfelsumpfhuhn ist in Deutschland eine gefährdete Vogelart.

Gepunktetes Federkleid

"Auf eine Körpergröße von 19 cm bis 22,5 cm bringt es das Tüpfelsumpfhuhn und ist damit sogar noch etwas kleiner als eine Amsel", erklärt Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. "Es stakst auf seinen langen, gelben Beinen umher und sinkt dank seiner ebenfalls langen und schlanken Zehen im Schlamm kaum ein", so der Naturexperte. Diese Zehenform verteilt da Körpergewicht auf eine relativ große Auftrittsfläche, was das Gehen auf weichem Schlamm erleichtert – oder auf Seerosenblättern, über die Tüpfelsumpfhühner manchmal laufen, ohne das Grün unter Wasser zu drücken.

Das Federkleid wirkt aus der Ferne betrachtet überwiegend graubraun. Schaut man jedoch genauer hin, erkennt man die vielen kleinen weißen Flecken, die die Federn schmücken – also die namensgebenden Tüpfel. "Vom weiteren Namensbestandteil 'Sumpfhuhn' sollte man sich aber nicht täuschen lassen", so Spieker. "Diese Vögel gehören nicht zu den Hühnern, sondern zu den Rallen und sind somit beispielsweise mit dem Teichhuhn verwandt, welches das Schicksal des irreführenden Namens mit ihm teilt."

Kostbarer Leinepolder-Bewohner

Weil es für Wildtiere keine Volkszählungen gibt, können nur Schätzungen oder Hochrechnungen basierend auf lokalen Zählungen durchgeführt werden. Es wird angenommen, dass es in Europa 120.000 Brutpaare des Tüpfelsumpfhuhns gibt – oder 260.000 Brutpaare, wenn man optimistischer schätzt. Auf ganz Deutschland heruntergebrochen ergibt sich eine geschätzte Anzahl von 1.000 bis 1.500 Brutvögeln. "Diese kleinen und noch dazu vergleichsweise ungenauen Zahlen zeigen, wie wichtig jedes einzelne Individuum ist. Und in den Leinepoldern gibt es zum Glück noch immer Tüpfelsumpfhühner", erläutert Spieker.

Weil diese Vögel ungestörte Sumpfgebiete, Seggenbestände und Hochmoore zum Brüten benötigen, sind sie zusehends in Bedrängnis geraten. Denn solche Lebensräume wurden vom Menschen vielerorts zerstört. "Die Natur aus Menschenhand zwischen Einbeck und Northeim ist für diese Wasservögel ein Glücksfall", weiß Spieker. "Weil sie so kostbar sind, sollten sie von Spaziergängern und ihren Hunden nicht gestört werden. Auf den Wegen zu bleiben und die Tiere mit Ferngläsern aus gebührendem Abstand zu beobachten, sollte da selbstverständlich sein."

Der kleine Vogel ist jedoch ein Meister des Versteckens. Man muss schon geübt sein, um ihn auf größere Entfernung zu entdecken. Dafür ist er durch seine eindringlichen Laute gut zu erkennen. Charakteristisch ist der meist in der Dämmerung und nachts zu hörende Ruf, ein scharfes "Quitt… quitt… quitt".

Erde, Wasser, Luft

Die drei Elemente Erde, Wasser und Luft spielen im Leben der Tüpfelsumpfhühner alle eine große Rolle. Feuchte Erde bietet Nahrung, das Wasser ist aus ihren Revieren nicht wegzudenken und der Luftraum ist für sie quasi die „Brücke“ zwischen Brutgebiet und Überwinterungsgebiet. Im Herbst brechen die Vögel auf gen Süden. Bei uns in Mitteleuropa heimische Tüpfelsumpfhühner fliegen nach Afrika, wo sie in den nördlichen Ländern oft Zwischenstopps einlegen, kurz Kräfte sammeln und dann ihre Reise in den östlichen und südlichen Teil des Kontinents fortsetzen.

Im Hoch- und Spätsommer besteht noch die Möglichkeit, die Vögel mit etwas Glück hierzulande zu beobachten. Bisher wurden sie in Polder 1, Polder 2 und an der Geschiebesperre schon gesichtet. Wer nicht allein nach Tüpfelsumpfhühnern und anderen interessanten Tieren der Leinepolder Ausschau halten möchte, kann sich einem der kostenlosen geführten Spaziergänge der Naturscouts Leinetal anschließen. Informationen zu Terminen finden sich auf der Website naturscouts-leinetal.de. Wer lieber einen eigenen Termin mit vereinbaren möchte, findet dort entsprechende Kontaktmöglichkeiten.