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Mai/Juni 2019: Die Leinepolder – ein Naturparadies aus Menschenhand

Nicht immer wirken sich Eingriffe des Menschen in die Natur negativ aus. Mit der Schaffung des Hochwasserrückhaltebeckens zwischen Einbeck und Northeim entstand ein Naturparadies, das zahllosen Tieren und Pflanzen eine Heimat bietet.

Hauptsächlicher Zweck des Dammsystems und der Polder ist der Schutz vor Überflutungen. Im Unterschied zu anderen Regionen Deutschlands ist das Leinetal zwar nicht übermäßig stark besiedelt. Dennoch leben etliche Menschen in der Region und nutzen diese ebenfalls landwirtschaftlich.

Seit jeher kommt es gelegentlich zu Hochwasserereignissen, die für die Anbauflächen und für Siedlungen gleichermaßen problematisch sein können. Wie sehr die Menschen beispielsweise nach starken Schneeschmelzen unter Überflutungen zu leiden hatten, ist heute noch in Salzderhelden, Sülbeck und in weiteren Orten anhand dort vermerkter Pegelangaben zu erkennen.

In den 1970er Jahren wurde deshalb ein Dammbauwerk geplant, das die sporadisch auftretenden Wassermassen im Zaum halten sollte. Es dauerte noch bis 1992, bis die Dämme fertiggestellt waren und das riesige Rückhaltebecken letztlich in fünf Polder wurde. Diese Unterteilung gewährleistet seitdem, dass in kurzer Zeit auflaufende Wassermassen kontrolliert werden können. Polder I und II werden relativ regelmäßig bei Überschwemmungen zum Auffangen des Wasser genutzt, bei sehr starken Hochwasserereignissen auch die weiteren Polder.

Bereicherung für die Natur

Flächen, die von Zeit zu Zeit gezielt überflutet werden, können vom Menschen nur eingeschränkt genutzt werden. Das ist ein Segen für die Natur. "Polder I ist ein Beispiel dafür, wie ein Naturparadies aus Menschenhand entstehen kann", erklärt Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. "Bereits seit 1995 gibt es eine Schutzgebietsverordnung für diesen Polder und seit 2002 ist er Teil des EU-Vogelschutzgebietes V08 'Leinetal bei Salzderhelden' und somit ein wertvoller Lebensraum für zahlreiche Arten."

Während der meisten Zeit des Jahres ist die 523 Hektar große Fläche nicht überflutet, dann wird sie von vielen teils seltenen Vogelarten als Lebensraum genutzt. "In der kalten Jahreszeit halten sich dort beispielsweise Blässgänse und Tundrasaatgänse auf, die im Gebiet überwintern", weiß Thomas Spieker. "Und zu den Zugzeiten im Frühling sowie im Herbst finden sich Vögel wie der Alpenstrandläufer und der majestätische Seeadler ein."

Mit dem Wachtelkönig bewohnt im Sommer eine echte gefiederte Rarität das Gebiet. Vor allem das feuchte Grünland von Polder I und II bietet dieser in Deutschland selten gewordenen Vogelart beste Bedingungen. "Mit bis zu 50 rufenden Männchen haben wir hier eine der größten Populationen des Landes", so Spieker.

Besonderer Lebensraum

Damit die in dem Gebiet heimischen Tiere ungestört bleiben, besteht in den Leinepoldern ein Wegegebot, das für Menschen und sie begleitende Hunde gilt. Sich daran zu halten, sollte für jeden Spaziergänger selbstverständlich sein, um zum Beispiel scheue Bodenbrüter im Frühling nicht zu stören oder im Winter rastende Gänse und Kraniche nicht in unnötige Aufruhr zu versetzen.

"Als Regenrückhaltefläche sind die Polder auch außerhalb von Hochwasserzeiten oft recht feucht, der schlammige Boden ist dabei ein ganz besonderer Lebensraum", erklärt Thomas Spieker. "Für Insekten ist er ein idealer Brutplatz, außerdem leben viele Regenwürmer im Erdreich. Davon profitieren Vögel wie der in der Gegend brütende Weißstorch, der für die Jungenaufzucht täglich hunderte Regenwürmer benötigt."

Darüber hinaus leben Säugetiere wie Rehe in den Leinepoldern und es gibt in dem Gebiet Vorkommen feuchtigkeitsliebender Pflanzen, die anderswo kein Auskommen finden, weil Flächen trockengelegt werden.

Einblicke in die Artenvielfalt

Das gesamte Jahr über bieten sich von den Beobachtungstürmen und den Wegen im Naturschutzgebiet gute Möglichkeiten, die reichhaltige Artengemeinschaft zu erleben. Eine sehr gute Chance, die Vielfalt kennenzulernen, bieten die geführten Spaziergänge der Naturscouts Leinetal. Wann diese stattfinden, steht auf der Website naturscouts-leinetal.de. Individuelle Termine lassen sich ebenfalls mit den ehrenamtlichen Naturkennern vereinbaren. Dabei werden nicht nur die Leinepolder besucht, die in der Nähe liegenden Seen, die auf den Kiesabbau zurückgehen, sind ebenfalls sehenswerte Naturparadiese aus Menschenhand.