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März/April 2020: Biber in den Leinepoldern – oder doch nicht?

Kaum eine andere heimische Tierart kann ihren Lebensraum so sehr selbst umgestalten wie der Europäische Biber. Auch aus der Gegend der Leinepolder gibt es Sichtungsmeldungen, von denen einige stimmen dürften. Andere gehen wohl auf Verwechslungen zurück.

Von der Nasenspitze bis zum hinteren Ende des Rumpfes messen Biber 80 cm bis 1 m, den bis zu 35 cm langen Schwanz nicht mit eingerechnet. Damit sind sie sehr stattliche Erscheinungen und gleichzeitig die größten in Europa heimischen Nagetiere. Das Gewicht erwachsener Biber kann bis zu 30 kg betragen. Zum Vergleich: Nur maximal 7,5 cm beträgt die Kopf-Rumpf-Länge der Zwergmaus, des kleinsten Nagetiers bei uns in Europa. Schwere Exemplare bringen nur rund 11 g auf die Waage. Es bräuchte also weit mehr als 2.500 Zwergmäuse, um nur einen Biber aufzuwiegen!

Indem sie mit ihren kräftigen Zähnen Bäume fällen und Zweige zu großen Bauen aufschichten, verändern Europäische Biber ihren Lebensraum nach ihren Bedürfnissen. Sie stauen so Gewässer auf und sorgen lokal für Überflutungen. Das ist vom Menschen nicht immer gern gesehen, doch für die Biber ist es überlebenswichtig. Denn die Eingänge ihrer Biberburgen sollen stets unter Wasser liegen, weshalb aufgestaute Gewässer für sie so wichtig sind.

"Weil Biber hauptsächlich dämmerungs- und nachtaktiv sind, ist es nicht immer leicht, sie zu Gesicht zu bekommen", erklärt Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. "Ihre Baue und Dämme sowie die Fraßspuren an der Vegetation kann man hingegen am Tage gut erkennen, wenn man weiß, worauf zu achten ist."

Dass Biber zuweilen auch tagsüber außerhalb ihrer Baue angetroffen werden können, belegen beispielsweise Sichtungen aus München, wo es regelrechte Stadtbiber gibt. In anderen Teilen Deutschlands, darunter auch in den Leinepoldern, gehen vermeintliche Bibersichtungen am Tage aber oft auf andere Arten zurück, die mit den großen Nagern verwechselt werden.

Biber, Nutria oder Bisam?

Wie Biber leben zwei weitere bei uns vorkommende Nagetierarten am Wasser und sie können bei flüchtiger Betrachtung mit ihnen verwechselt werden. Die Rede ist von Nutria, mitunter Sumpfbiber oder Biberratte genannt, und Bisam, zuweilen als Bisamratte bezeichnet.

"Ein entscheidender Unterschied ist, dass sowohl Bisam als auch Nutria keine Baue aus Zweigen anlegen und erst recht keine Bäume fällen", weiß der Naturscout Spieker. Zudem unterscheiden sie sich äußerlich bei genauer Betrachtung deutlich vom Biber. Die Nutria stammt ursprünglich aus Südamerika und wurde vom Menschen nach Europa gebracht. Ihre Kopf-Rumpf-Länge beträgt rund 60 cm, womit sie etwas kleiner ist als der Biber. Noch viel kleiner ist der eigentlich in Nordamerika heimische Bisam mit einer Kopf-Rumpf-Länge von rund 35 cm.

"Wer sich damit schwertut, die Körperlänge abzuschätzen, sollte versuchen, auf den Schwanz des gesichteten Tieres zu blicken", rät Spieker. "Beim Biber ist dieser breit und sehr flach, deshalb wird er auch als ‚Biberkelle‘ bezeichnet. Dagegen hat der Schwanz der Nutrias einen runden Querschnitt und derjenige der Bisams einen ovalen."

Weil der Schwanz aber nicht immer zu sehen ist, wenn die Tiere beispielsweise gerade schwimmen, ist es hilfreich, sich auf den Kopf zu konzentrieren.

 

Kopfform und Zähne

Biber haben einen stumpf zulaufenden Kopf mit eher rundlichen Nasenlöchern. Ihre Zähne kann man meist sehen, sie sind orange gefärbt. Bei den Nutrias sind die Zähne praktisch immer sehr gut sichtbar und sie sind auffallend groß sowie orange gefärbt. Die Nasenlöcher sind ebenfalls vergleichsweise groß, jedoch nicht allzu rund, und der Kopf läuft stumpf zu. Eher spitz zulaufend und schmal ist die Kopfform der Bisams. Ihre Zähne sind für gewöhnlich kaum sichtbar.

"Die Ohren geben ebenfalls Aufschluss", erklärt Thomas Spieker. "Sind sie kaum sichtbar, hat man es meist mit einem Bisam zu tun. Beim Biber sind sie zwar zu erkennen, aber nicht sehr prominent. Dagegen sind die Ohren der Nutrias gut auszumachen." Und dann sind da noch die Tasthaare im vorderen Bereich des Gesichts. Beim Biber sind sie dunkel, beim Bisam schwarz und bei der Nutria recht zahlreich, lang und außerdem auffällig weiß gefärbt.

Verhalten gibt Auskunft

Für gewöhnlich sind Biber Menschen gegenüber scheu und flüchten, wenn man sich ihnen nähert. „Weil in den Leinepoldern aber ohnehin ein Wegegebot gilt und sich die Tiere oft nur aus großer Distanz beobachten lassen, ist es bei einem weit entfernten Nager deshalb nicht ganz so leicht, das Verhalten einzuschätzen“, weiß der Naturscout Spieker. "Falls jedoch in unmittelbarer Nähe des Weges ein recht großes Nagetier sitzt und vielleicht sogar auf Menschen zugeht, dann handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Nutria."

Aus vielen Teilen Deutschlands gibt es Berichte über Nutrias, die Menschen regelrecht um Futter anbetteln – das haben sie mit den Enten gemeinsam, deren Lebensraum sie vielerorts teilen. Das Brot, das den Enten oft gebracht wird und ihrer Gesundheit im Übrigen nicht unbedingt zuträglich ist, wird von Nutrias ebenfalls gefressen. Biber rühren es dagegen nicht an, für sie sind nur Zweige und Rinde attraktive Nahrung, weshalb sie Menschen in aller Regel nicht um Futter anbetteln.

In den Leinepoldern und in der Umgebung des Schutzgebietes sind alle drei zuvor beschriebenen Säugetierarten bereits beobachtet worden. Für die eigenen Beobachtungen gibt der Experte Tipps: "Wer gern nach großen Nagern in den Leinepoldern Ausschau halten möchte, sollte am besten ein Fernglas oder Spektiv dabei haben. Außerdem gibt es die Möglichkeit, sich geführten Touren der Naturscouts Leinetal anzuschließen", empfiehlt Spieker. Wann und wo sie stattfinden und wie sich individuelle Führungen buchen lassen, darüber finden sich Hinweise auf der Website der Naturscouts Leinetal e. V.