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Mai/Juni 2020: Virtuose Sängerin in den Leinepoldern – die Nachtigall

Mit ihren wohlklingenden Gesängen verzaubert die Nachtigall seit jeher den Menschen. In den Leinepoldern und in der näheren Umgebung gibt es viele Reviere dieser ebenso virtuos wie ausdauernd singenden Vögel.

Um gleich ein wichtiges Detail vorwegzuschicken: Zwar ist der Name der Vogelart weiblich, doch das Singen ist bei der Nachtigall reine Männersache. In ihrem Aussehen unterscheiden sich die beiden Geschlechter nicht – zumindest für das menschliche Auge. Von der Schnabelspitze bis zum Ende der Schwanzfedern messen Nachtigallen circa 16,5 cm. Sie sind damit ähnlich groß wie ein Haussperling.

Hinsichtlich ihres Aussehens sind diese Vögel eher unspektakulär. Auf der Oberseite des Körpers sind die Federn überwiegend braun bis rötlichbraun gefärbt, wohingegen das Gefieder an der Körperunterseite weißlich bis hellgrau ist. An einigen Stellen, darunter an der Brust, wirkt es leicht meliert und kann einen zarten Braunschimmer aufweisen. Recht groß erscheinen die schwarzen Augen, sie tragen eine feine weiße Umrandung.

Optisch mag die Nachtigall nicht sonderlich auffällig zu sein, doch ihr Gesang macht das mehr als wett. Während zum Beispiel der Buchfink wieder und wieder dieselbe Strophe vorträgt, singt die Nachtigall überaus komplex. "Die Vögel bauen ihre Lieder aus bis zu 260 verschiedenen Gesangselementen auf, woraus sich eine variationsreiche und unvorhergesehene Klangfolge ergibt", beschreibt Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. das wohlklingende Naturschauspiel. "Noch dazu singen die einzelnen Individuen jeweils anders, was sich vor allem dort gut hören lässt, wo mehrere Nachtigallen ihre Reviere in unmittelbarer Nähe zueinander haben."

Nicht nur Nachtgesänge

Wie kaum eine andere Vogelart hat die Nachtigall in früheren Zeiten Kunst und Musik beeinflusst. Ein Beispiel dafür ist das Zitat "Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche" aus der Tragödie "Romeo und Julia" von William Shakespeare. Im Unterschied zur Lerche, die ausschließlich am Tage singt, gilt die Nachtigall stimmlich als nachtaktiv – was sich leicht an ihrem Namen erkennen lässt. Dieser geht höchstwahrscheinlich auf ein altes westgermanisches Wort zurück: nahtagalōn bedeutet Nachtsängerin.

"In Bezug auf die Tageszeit ist die Nachtigall beim Singen aber meist doch nicht so sehr festgelegt", weiß Thomas Spieker. "Oft fangen die Vögel schon am frühen Abend an zu singen, manchmal sind ihre Strophen sogar bereits mittags zu hören." Das Ganze geschieht jedoch nicht ohne System. Bereits im sehr späten Winter oder im zeitigen Frühjahr beginnt die Gesangssaison. Zu jener Zeit tragen die unverpaarten Männchen ihre Lieder ab etwa 23 Uhr bis zum Morgen vor. "Dabei liegt die Vermutung nahe, dass so Weibchen in die Brutreviere gelockt werden sollen", erläutert der Naturscout.

Etwa ab Mitte Mai sind es vor allem unverpaarte Männchen, die dann noch während der Nacht singen. Verpaarte Männchen und vermutlich auch unverpaarte singen bis circa Mitte Juni – so lange dauert die Brutsaison – dann auch am Tage oder zumindest ab dem frühen Abend.

"Dadurch haben Spaziergänger in den Leinepoldern zwischen Einbeck und Northeim, an der Northeimer Seenplatte sowie in der näheren Umgebung gute Möglichkeiten, den Gesang der Vögel zu genießen", erklärt Spieker. Die Naturscouts Leinetal bieten zu verschiedenen Terminen geführte Exkursionen an, bei denen immer wieder auch der Nachtigall gelauscht wird. Als Corona-Sicherheitsmaßnahme ist eine Anmeldung Pflicht und die Teilnehmerzahlen sind strikt begrenzt. Informationen zu den Veranstaltrungen der Naturscouts gibt es auf http://naturscouts-leinetal.de/.

 

Gebüsche bevorzugt

Besonders gern halten sich Nachtigallen in dichten Gebüschen auf, wie sie mancherorts an Waldrändern oder Flussläufen zu finden sind. Diese Lebensräume sollten idealerweise insektenreich sein, denn vor allem während der Brutperiode sind diese Vögel auf tierische Kost angewiesen. Neben Insekten und deren Larven fressen sie auch Spinnen und andere Wirbellose sowie Würmer.

Im Sommer und frühen Herbst steigen sie auf vegetarische Nahrung um, sie fressen dann verschiedene Beeren. "Deshalb sind Gegenden mit beerentragenden Bäumen und Sträuchern bei den Nachtigallen sehr beliebt", erklärt Spieker. "Und darin liegt einer der Hauptgründe, weshalb es diese Vögel im Siedlungsraum oft kaum mehr gibt." Etliche Gärten sind viel zu 'aufgeräumt' und in ihnen dominieren fremdländische Pflanzen. Vögel wie die Nachtigall finden dort nicht mehr genügend Nahrung. "Es ist einerseits schön, dass Nachtigallen und viele andere Wildtiere in unserem hiesigen großen Naturschutzgebiet eine Heimat finden", so der Naturscout Spieker. "Trotzdem wäre es wünschenswert, wenn auch Gärten wieder vermehrt naturnah gestaltet werden würden."

Die Nachtigallen bleiben in diesem Jahr noch bis zum Herbst in den Leinepoldern. Dann fliegen sie in den Süden. Sie überwintern in Afrika und kehren ab März wieder zurück, um mit wunderschönen Gesängen in die neue Brutsaison zu starten.