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November/Dezember 2020: Tundrasaatgänse – Leinepolder-Gäste aus dem hohen Norden

Viele Hundert Gänse verbringen den Winter in den Leinepoldern zwischen Einbeck und Northeim. Genaues Hinschauen kann sich lohnen, dann findet man unter den vielen Vögeln oft Tundrasaatgänse.

Saatgänse lieben die abgelegenen Landschaften im nördlichen Skandinavien sowie in Sibirien. Während des kurzen arktischen Sommers leben sie einerseits in der Tundra mit ihrer niedrigen Vegetation oder auf etwas offeneren Flächen und Gewässern in der Taiga. Letztere ist der boreale, nordische Nadelwald, an vielen Stellen gibt es in diesem Teil der Erde zudem Birkenwälder.

Mit ihrer überwiegend dunkelbraunen Färbung erinnert die Saatgans an die in Mitteleuropa häufige Graugans. Von dieser ist die Saatgans leicht anhand ihres Schnabels zu unterscheiden: Während er bei der Graugans in aller Regel vollständig orange gefärbt ist, haben Saatgänse meist auch mehr oder minder große dunkle Bereiche und nur kleine orangefarbene Schnabelpartien. Typisch für die Saatgans ist außerdem das dunkelbraune Gefieder an Kopf und Hals sowie die orangefarbenen Füße, die bei Graugänsen pinkfarben sind.

Innerhalb des riesigen Verbreitungsgebiets der Saatgänse kommen verschiedene Unterarten vor. Eine davon ist die Tundrasaatgans, daneben gibt es die in Deutschland sehr selten gesichtete Waldsaatgans. Charakteristisch für die Tundrasaatgans sind der relativ kurze Hals und der vergleichsweise breite Schnabel.

Sie ist demnach eine Saatgans mit einem speziellen Aussehen. Man kann sich das wie bei Äpfeln vorstellen: Sie gehören alle zur selben Art (Apfel), doch es gibt sie in verschiedenen Ausprägungen, die wir Sorten nennen. Beispiele dafür sind der grüne Granny Smith und der meist vollständig rosarot gefärbte Pink Lady. Ganz dasselbe ist es bei den Gänsen jedoch nicht, Unterarten sind im Tierreich etwas anders definiert als Zuchtsorten von Nutzpflanzen.

Ganz viele Gänse

Saatgänse sind in den Leinepoldern keine Seltenheit, sie lassen sich jeden Winter beobachten. Zumeist sind es Tundrasaatgänse, die mit manchmal in großer Zahl hier überwintern. "Schaut man dabei geduldig und genau hin, kann mit sie zwischen den anderen Überwinterern entdecken", erklärt Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. Auf eine Waldsaatgans zu treffen, ist dagegen deutlich weniger wahrscheinlich - wenn auch nicht unmöglich. Einige wenige Sichtungen dieser Rarität sind im Jahr 2020 für die Leinepolder belegt.

Betrachtet man die Zahlen der im Schutzgebiet bereits beobachteten Tundrasaatgänse, sind diese beeindruckend. Anfang November 2020 hielten sich in der Nähe der Geschiebesperre rund 1000 Individuen auf - ein ganz besonderer Anblick.

Idealer Platz im Winter

Nicht nur für Wildgänse, sondern generell für etliche Vögel sind die Leinepolder als Überwinterungsgebiet von großer Bedeutung. Sie finden hier einerseits Wasser zum Schwimmen und trinken sowie andererseits weite offene Flächen mit saftigen Gräsern und Wildkräutern. Diese Landschaft bevorzugen sie nicht nur wegen der dort verfügbaren Nahrung, sondern zusätzlich aus einem weiteren Grund: Sie können es schon von Weitem sehen, wenn sich natürliche Feinde anschleichen.

Auf Menschen und Hunde, die sich ihnen zu sehr nähern, reagieren die in den Leinepoldern überwinternden Gänse sehr empfindlich und fliegen verängstigt auf. "Darum ist es wichtig, das Wegegebot strikt einzuhalten und Hunde nicht von der Leine zu lassen", erklärt Spieker. "Jede Störung, die die Gänse auffliegen lässt, kostet die Vögel wertvolle Energie."

Sehr viel naturverträglicher ist es, die Tiere stattdessen von den Wegen oder Aussichtspunkten aus zu beobachten, am besten mit einem Fernglas oder Beobachtungsfernrohr. "Wer Einblicke in die Vogelwelt bekommen möchte, sich aber selbst noch nicht so gut auskennt, für den bietet sich die Teilnahme an einer geführten Exkursion an", empfiehlt Thomas Spieker. Die Naturscouts Leinetal nennen auf ihrer Webseite http://naturscouts-leinetal.de entsprechende Termine, darüber hinaus können individuelle Führungen vereinbart werden. Wichtig ist in jedem Fall eine vorherige Anmeldung.

"Infolge der Pandemie-Situation mussten wir in diesem Herbst leider einige Termine absagen", bedauert Spieker. "Wir hoffen, dass sich die Situation bald bessern wird und gemeinsame Naturexkursionen wieder durchgeführt werden können." Bis dahin bleibt selbstverständlich die Möglichkeit, auf eigene Faust das Gebiet zu erkunden. Fundierte Hintergrundinformationen finden sich auf dieser Webseite.