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Juli/August 2021: Gänsesäger – Fischliebhaber mit besonderem Schnabel

Als Paradies für Wasservögel ziehen die Leinepolder zwischen Einbeck und Northeim nicht nur Gänse und Enten an. Immer mal wieder zeigen sich dort auch Gänsesäger, die äußerst geschickte Fischjäger sind.

Den Sommer verbringen Gänsesäger in den nördlichen Regionen der Nordhalbkugel. Von Skandinavien über das nördliche Asien bis hin nach Alaska, Kanada und einen weiteren kleinen Bereich der USA südlich des Oberen Sees erstreckt sich ihr Brutareal. Ganzjährig kommen sie nur in kleinen Bereichen vor. Auf unserem Kontinent liegt ein großer Teil dieser Gebiete auf den Britischen Inseln.

In Deutschland treten diese zwischen 58 cm und 68 cm großen Wasservögel vor allem als Wintergäste auf – zum Beispiel in den Leinepoldern. Dort wurden Gänsesäger in der Vergangenheit hauptsächlich vom Herbst bis etwa März beobachtet. "Weil der Sommer in hohen nördlichen Breiten kurz ist, wandern die Vögel dort relativ zeitig ab", weiß Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal. "Deshalb halten sich Gänsesäger manchmal schon ab August in unserer Region auf." Es lohnt sich also, in nächster Zeit die Augen offen zu halten und bei den schwimmenden Vögeln ein wenig genauer hinzuschauen.

Zwei Looks, eine Art

Tragen Gänsesäger vom Spätherbst bis in den Frühsommer ihr Prachtkleid, unterscheiden sich die beiden Geschlechter deutlich. Beim Männchen sind die Federn an Kopf und Rücken schwarz mit leicht grünlichem Glanz, der Rumpf trägt weiße Federn. An Brust und Bauch findet sich mitunter ein leicht lachsfarbener Anflug. Weibchen haben stattdessen rotbraune Federn am Kopf, am Rumpf sind sie grau und weiß. Bei beiden Geschlechtern ist der Schnabel rötlich mit schwarzer Spitze, weibliche Gänsesäger haben außerdem eine Federhaube am Hinterkopf.

Während die Vögel im Hoch- und Spätsommer ihr Schlichtkleid tragen, sehen die Männchen den Weibchen farblich ähnlich. Jugendliche Gänsesäger sehen ebenfalls wie die Weibchen aus, weshalb man sie als weibchenfarben bezeichnet.

Dezente Fischliebhaber

Obwohl Gänsesäger zur Familie der Entenverwandten innerhalb der Ordnung der Gänsevögel gehören, sind sie in ihrem Auftreten merklich dezenter als viele Enten und Gänse. Meist geben sie keine Laute von sich, gerufen wird überwiegend in der Balzzeit, und sogar dann vergleichsweise leise.

Schwimmen, kurz tauchen, wieder schwimmen, kurz tauchen, wieder schwimmen und gelegentlich mal an Land gehen, um ein wenig zu ruhen – so sieht außerhalb der Brutzeit der typische Tagesablauf der Gänsesäger aus. "Wer diese Vögel in den Leinepoldern oder der Northeimer Seenplatte beobachten möchte, braucht manchmal ein wenig Geduld", erklärt Thomas Spieker. "Weil Gänsesäger immer wieder tauchen, sind sie folglich nicht ständig über Wasser zu sehen und können da sein, ohne dass sie besonders auffallen."

Ein Fernglas oder ein Spektiv, also ein Beobachtungsfernrohr, kann beim Beobachten helfen. Damit lassen sich die Vögel störungsfrei aus größerer Entfernung betrachten, was in den Leinepoldern von vielen Stellen bequem von den Wegen aus möglich ist. Weil sich Gänsesäger mehrheitlich von kleinen Fischen ernähren, pro Tag davon aber bis zu 300 g benötigen, stehen die Chancen gut, sie an der Wasseroberfläche mit ihrer Beute zu sehen. Dabei zeigt sich eine Besonderheit ihres Schnabels.

Wasservögel mit Zähnen

Ein wenig seltsam klingt ihr Name ja durchaus. Allzu wörtlich nehmen sollte man ihn nicht. Diese schönen Vögel sägen keineswegs an Gänsen herum. Vielmehr hat man sie nach diesen benannt, weil sie wie Gänse gern auf dem Wasser schwimmen. Der Namensbestandteil "Säger" basiert auf einem anatomischen Detail: An den seitlichen Rändern beider Schnabelhälften tragen Gänsesäger zahlreiche kleine Spitzen, die an die Zähne einer Säge erinnern.

Dank dieser "Zähne" und des an der Spitze nach unten gekrümmten Oberschnabels können diese Vögel Fische besonders gut fangen. Aus einem Schnabel ohne Haken und gezähnten Rand könnte ein Fisch wegen seines glatten Körpers vielleicht noch entkommen. Doch von den Zähnchen und dem Haken des Gänsesägerschnabels fixiert, ist eine Flucht fast nie möglich.

Positive Bestandsentwicklung

Auf unserem Kontinent hatten es die Gänsesäger in den vergangenen Jahrzehnten nicht leicht. Weil Flüsse durch den Menschen stark verändert und verbaut sowie mit Abwässern belastet wurden, schrumpfte ihr Lebensraum. Dort, wo sie noch vorkamen, wurden sie nicht selten gestört, weil etliche Menschen ihre Freizeit an und auf den jeweiligen Gewässerabschnitten verbrachten. Hinzu kommt, dass Gänsesäger früher bejagt werden durften. Wie andere fischfressende Vogelarten sind sie übrigens bei etlichen Anglern nach wie vor nicht allzu beliebt.

Renaturierungsmaßnahmen an Flüssen und ein hierzulande bereits vor einiger Zeit erlassenes Jagdverbot führten dazu, dass sich die Bestände des Gänsesägers in Deutschland spürbar erholt haben. Dennoch gilt die Art deutschlandweit laut Roter Liste nach wie vor als gefährdet, in Niedersachsen wird sie als extrem selten eingestuft. Umso erfreulicher ist es, dass sie in den Leinepoldern ein Zuhause auf Zeit finden.