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März/April 2021: Vögel als Frühlingsboten in den Leinepoldern

Eine längere Tageslichtdauer, Vogelgesang und erste Blüten sind untrügerische Zeichen für den Frühling. Doch wer sind eigentlich die Frühlingsboten und wie hängt alles miteinander zusammen? Das lässt sich zum Beispiel in den Leinepoldern erleben.

Viele Menschen mögen es zwar nicht sonderlich gern, früh geweckt zu werden. Im Frühling lohnt es sich trotzdem, deutlich vor Sonnenaufgang aufzustehen und spazieren zu gehen. Vor allem an trockenen und warmen Tagen lässt sich so draußen das morgendliche Vogelkonzert genießen. Unsere heimischen gefiederten Frühlingsboten sind ab April bis in den Mai hinein besonders sangesfreudig.

"Am besten lässt man die Frühlingsgesänge der Vögel einmal ganz in Ruhe auf sich wirken", rät Thomas Spieker von den Naturscouts Leinetal e. V. Wer da wann singt, ist keineswegs dem Zufall überlassen. In der Zeit vor Sonnenaufgang singen die einzelnen Arten für gewöhnlich in einer bestimmten Reihenfolge, weiß der Naturkenner: "Der Frühaufsteher schlechthin ist der Gartenrotschwanz. Er beginnt etwa 80 Minuten vor Sonnenaufgang zu singen." Gesehen und gehört wurden diese Vögel in der Vergangenheit unter anderem an der Geschiebesperre Hollenstedt und der Northeimer Seenplatte.

Singdrosseln starten rund 55 Minuten vor Sonnenaufgang mit dem Zwitschern, etwa fünf Minuten später stimmen die Rotkehlchen mit ein und eine Dreiviertelstunde vor dem Aufgehen der Sonne mischen Amsel und Mönchsgrasmücke ebenfalls mit. Es folgen Zilpzalp, Blau- und Kohlmeisen, Star und schließlich zehn Minuten, bevor die Sonne am Morgenhimmel erscheint, noch der Buchfink.

"Wenn sich die Lieder und Rufe der vielen Vögel mischen und dabei wegen der zunehmenden Helligkeit mehr Details der Landschaft mit ihren zahlreichen Blüten und dem frischen Grün sichtbar werden, ist das ein perfekter Start in den Tag", so Spieker. Aber die Vögel singen keineswegs, um uns mit ihren Strophen zu unterhalten. Sie haben vielmehr eine klare Botschaft an ihresgleichen.

Alles meins!

Wir Menschen stellen Zäune oder Mauern um unsere Grundstücke herum auf, Vögel regeln das akustisch (und manchmal auch, indem sie Eindringlinge angreifen). Ist ein Revier besetzt, ist es bei den meisten Vogelarten üblich, dass die Männchen mit ihrem Gesang die Besitzansprüche verdeutlichen. "Weil die Reviere im Frühling und somit in der Fortpflanzungszeit außerordentlich wichtig sind, ist der Gesang zu dieser Jahreszeit so intensiv", legt Thomas Spieker dar.

Singende Vogelmännchen sowie in einigen Fällen auch Weibchen verkünden demnach, dass sie ein Fleckchen Erde gefunden und erobert haben, in dem es – aus ihrer Sicht – genügend Ressourcen zum Aufziehen von Nachwuchs gibt. Weil ein Großteil der bei uns heimischen Vögel für die Jungenaufzucht tierische Kost benötigt, ist der Frühling für sie ideal für die Familiengründung. Es sind normalerweise besonders viele Insekten verfügbar, weil sie nach dem Winter in großer Zahl über das frisch nachwachsende Grün hermachen und sich ihrerseits fortpflanzen.

Während eines Spaziergangs in den Leinepoldern kann man im Frühling oftmals Singvögeln dabei zusehen, wie sie nach Nahrung für ihre brütenden Partnerinnen und später für die Jungen suchen. "Hierbei ist ein Fernglas hilfreich", rät Spieker. Um die Tiere so wenig wie möglich zu stören, sollte genügend Abstand gehalten werden. Deshalb ist es (nicht nur) im Frühjahr so wichtig, sich im Naturschutzgebiet an die Vorgaben zu halten und die Wege nicht zu verlassen – auch nicht als Vierbeiner, der den Menschen begleitet.

Wasservögel wie die bei uns brütenden Enten und Höckerschwäne haben es übrigens leichter. Sie müssen keine Nahrung heranschaffen, weil ihre Jungen schon kurz nach dem Schlüpfen mit ihren Eltern umherlaufen und -schwimmen können, um unter deren Aufsicht selbst nach Fressbarem zu suchen.

Komplexes Zusammenspiel

Der Klimawandel und die mit ihm verbundenen Wetterkapriolen, die in den vergangenen Jahren zusehends häufiger aufgetreten sind, setzen etliche Tiere sowie Pflanzen unter Druck. Wird es zu früh im Jahr warm, treiben viele Pflanzen bereits aus oder beginnen zeitig zu blühen. Kommt es dann zu späten Kälteeinbrüchen, könnten die Blüten erfrieren oder die zarten Blättchen zerstört werden.

Hierunter leiden all jene Tiere, die auf die Pflanzen als Nahrung angewiesen sind. Früh im Jahr fliegende Insekten finden dadurch zu wenig Nahrung, sterben womöglich und stehen ihrerseits den Vögeln nicht in ausreichender Menge als Nahrung für sich selbst und ihren Nachwuchs zur Verfügung. Insbesondere bei den Schmetterlingsraupen ist das problematisch. Früher gab es genau zu jener Zeit viele zarte Jungraupen, als beispielsweise die Blau- und Kohlmeisen ihre Brut-Hochsaison hatten – der "Tisch" war für die Jungvögel reich gedeckt.

Infolge der Klimaerwärmung beginnt die Vegetationsperiode inzwischen merklich früher, wodurch die Raupen ebenfalls meist entsprechend zeitiger dran sind. Indes hat sich der Brutbeginn der Meisen und einer Vielzahl anderer gefiederter Frühlingsboten nicht in gleichem Maße zeitlich verschoben. Dadurch kann die Nahrungssituation für die Vögel schwierig werden. Da bleibt es zu hoffen, dass es möglichst viele gefiederte Sänger schaffen werden, zur rechten Zeit zu brüten, damit sich in einigen Wochen draußen erste Jungvögel beobachten lassen – vielleicht ja während eines Frühlingsspaziergangs in den Leinepoldern?

Es gibt mehrere Hörstationen, an denen per Handy Informationstexte über die Leinepolder und die dortige Natur sowie die Umgebung abgerufen werden können. Somit gibt es ideale Möglichkeiten, das Gebiet individuell zu erkunden.